fernöstliche Kunst

Zur Azuchi-Momoyama-Zeit wurde in Miyamoto ein Junge geboren, welcher der größte aller Krieger werden wollte.

Schon als Kind war er für seine Wildheit bekannt. Er gierte nach jeder Gelegenheit, seine Fähigkeiten im Kampf zu verbessern. Er war immer fest entschlossen seine Gegner zu bezwingen, ganz gleich wie stark und eindrucksvoll. Mit 12 bezwang er bereits einen erwachsenen Kämpfer mit nur einem Stock bewaffnet.

Im Alter von 16 zog er mit dem unerschütterlichen Willen aus, jeden zu besiegen.

„Ich will meinen Namen vergessen, bis ich keinen Gegner mehr habe“, schrie er in die Nacht, während er unter einem eiskalten Wasserfall stand.

Mit 20 erschien es ihm, als hätte er keine würdigen Gegner mehr zu finden. Stolz und selbstsicher führte ihn seine Reise in die Berge.

Hier traf er auf den Teemeister, der ebenfalls keinen Namen hatte. Er meditierte in aller Ruhe vor seinem Tee, die Augen halb geschlossen.

„Zeige mir einen Gegner, den ich nicht besiegen kann“, forderte der Krieger laut und in absoluter Selbstsicherheit.

Es überraschte ihn, dass der Teemeister von ihm nicht beeindruckt zu sein schien. Dieser bot ihm nur mit einer sanften, einladenden Geste einen Platz neben sich an und sagte leise: „Bezwinge die Stille.“

Verächtlich schnaubte der Krieger. „Zeig sie mir und ich teil sie in zwei“, erwiderte er, den in seiner Mitte ruhenden Teemeister nicht ernst nehmend.

„Gut, ich zeige sie Dir“, sagte der Teemeister. Er sagte es freundlich, ruhig und leise, in einem ganz entspannten Tonfall. Und dennoch hatten seine Worte etwas immens Kraftvolles.

Von sich selbst überzeugt und siegessicher, aber heimlich auch etwas beeindruckt von dem alten Mann setzte sich der junge Krieger zu dem Teemeister, trank mit ihm eine Tasse Tee und ließ sich von ihm belehren, wie die Stille aufzufinden sei.

Eine Stunde später saß er im Lotussitz auf einem Felsen und suchte in sich selbst nach seinem letzten Gegner.

Erst spürte er noch den Zorn, der seinen Geist wie zu einer scharfen Klinge formte. Nach einer Weile verflogen alle Gefühle, und sein Geist war wie entwaffnet. Dann erfüllte ihn wie Honig ganz langsam ein neues, wunderschönes Gefühl, das für ihn bis dahin noch vollkommen unbekannt gewesen war. Er fand eine tiefe Stille und sie füllte ihn vollkommen aus.

Ein ganzer Tag verging, bevor er wieder die Augen öffnete.

„Ich habe einen neuen Kampfstil entwickelt“, sagte er überrascht. Er stand auf, zog seine Schwerter, das lange Katana und das kurze Wakizashi, und kämpfte mit beiden gleichzeitig in anmutiger Eleganz gegen imaginäre Feinde.

Er stockte mitten in der Bewegung und nahm einen Geruch wahr. Er drehte sich um und sah, wie der Teemeister Reis gekocht hatte. Sein Magen knurrte.

„Deine Kampfkust ist beeindruckend“, sagte der Teemeister, während er Reis in die Schüssel des jungen Kriegers füllte. „Aber noch beeindruckender waren die Gedichte, die Du aufgesagt hast, während Du in der Stille versunken warst“.

„Ich erinnere mich an keine Gedichte“, sagte der Krieger verwirrt.

Der Teemeister überreichte ihm ein paar Papiere mit den Worten: „Ich konnte leider nicht alles aufschreiben.“

Der junge Mann las mit zusammengezogenen Augenbrauen die niedergeschriebenen Worte.

„Das ist wunderschön“, brachte er angestrengt hervor. Tränen liefen im über das Gesicht.

Schließlich warf er sich vor dem alten Mann auf den Boden.

„Meister“, rief er demütig und erfürchtig. „Ihr habt mich gelehrt, die Stille zu finden. Sie ist unbesiegbar. Und sie ist ein wahrer und großer Lehrmeister!“

„Hast Du also deinen Gegner gefunden?“, fragte der Teemeister.

„Die Stille ist kein Gegner“, erwiderte der Krieger. Die Männer sahen sich einen stillen Moment lang an, erfüllt von einer tiefen Heiterkeit. Dann aßen sie ihren Reis.

Still verabschiedeten sie sich voneinander. Der junge Krieger drehte dem Teemeister den Rücken zu und stellte sich der Welt vor, als sei er neu hier.

„Ich bin Miyamoto Musashi!“, donnerte er stolz und laut. Und nach einer kleinen Pause fügte er ganz sanft und leise, aber dennoch kraftvoll und eindringlich hinzu: „Ich bin ein Freund der Stille.“

(frei erfunden, beruht aber zum Teil auf überlieferten Daten)

Musashi war ein berühmter Ronin; ein herrenloser Samurai. Er war bekannt für seine Wildheit und seine Entschlossenheit, seine Unbesiegbarkeit im Kampf, für seinen eigenen Kampfstil mit beiden Samurai-Schwertern gleichzeitig und später für seine Werke als Künstler, Handwerker und Autor.

Das japanische Wort für unbesiegbar ist „muteki“ und heißt wörtlich übersetzt „kein Feind“. Es bedeutet, dass eine unbesiegbare Person keine (ernst zu nehmenden) Feinde hat.

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