Wald

„Die Prüfungen“

(Die Geschichte enthält einige ‚Insider‘; unter anderem Namen von Personen, die in Elemente der Geschichte verwandelt wurden, und eine Marketing-Übung, in welcher die Dienstleistung „Hypnose“ mit einem Satz beschrieben werden sollte.)

Von diesem Berg aus konnte Marten bereits das Tal sehen, in welchem der Zauberer vom Oswald leben sollte. Er wusste nur noch nicht, welcher Wald der Oswald war.

Er gab seinem Jack Russel Terrier einen Keks und begann den Abstieg.

Unten angekommen wuchs ein Mörchen aus dem Boden. Marten hatte Hunger, also begann er damit, es aus dem Boden zu ziehen.

„Sach ma, spinnst Du?“, schrie das Mörchen. Der Hund bellte das Mörchen an.

Marten machte vor Schreck einen Satz zurück, stolperte über seinen Hund und fiel in den Dreck. „Hat die Karotte gerade gesprochen?“, rief er verwundert.

„Kannst Du nicht mal ein Mörchen von einer Karotte unterscheiden“, fauchte das Mörchen.

„Verzeih mir bitte“, winselte Marten und wandt sich in seinem Unwohlsein. Und im Dreck.

Dann stand er ungeschickt auf, klopfte den Dreck wieder ab so gut es ging und verneigte sich vor dem Mörchen.

„Ich suche den Zauberer von Oswald“, erklärte er. „Kannst Du mir helfen?“

„Hmmmm“, machte das Mörchen grimmig. „Gieß mich mit dem Wasser aus dem Kaltenbach, dann helfe ich Dir“, erklärte es.

Vom Berg aus hatte Marten bereits einen Bach gesehen. Eilig machte er sich auf den Weg.

Er überquerte dabei ein Feld.

„Hey, trampel nicht so“, grollte eine Stimme, scheinbar direkt aus dem Boden. Der Hund bellte den Boden an.

Wie angewurzelt blieb Marten stehen, die Haare standen ihm zu Berge. „Wer spricht da?“, fragte er unsicher.

„Ich bin das Sommerfeld“, sagte das Sommerfeld. „Und wenn Du nicht vorsichtiger gehst, kann ich mich auftun und Dich verschlingen.“

„Bitte verschling mich nicht“, bettelte Marten. „Ich muss zum Kaltenbach und das Mörchen gießen.“

„Weiß ich doch längst“, antwortete das Sommerfeld. „Aber mach vorsichtig!“

Marten versprach es.

„Und wehe, dein Hund macht ein Häufchen auf meinen Kopf!“, grollte es gewaltig.

Schnell nahm Marten seinen Terrier auf den Arm und setzte seinen Weg vorsichtig fort.

Schließlich kam er am Bach an. Er nahm seinen Wasserbeutel heraus und tauchte in in das kalte und klare Wasser.

Doch bevor er seine Hand mit dem Wasserbeutel wieder heraus nehmen konnte, gefror das Wasser. Er steckte fest.

„Du könntest wenigstens vorher fragen“, sagte eine Stimme im beleidigten Tonfall. Der Hund bellte den Bach an.

Marten hatte bereits mit einem Mörchen und einem Sommerfeld gesprochen, nun war er sich bewusst, sich mit dem Kaltenbach zu unterhalten.

„Bitte verzeih mir, das wusste ich nicht“, rief er verzweifelt. „Darf ich etwas Wasser von Dir haben?“

„Singst Du mir ein Lied?“, fragte der Kaltenbach.

Marten fing augenblicklich an zu singen und der Kaltenbach gab seine Hand mit einem gefüllten Wasserschlauch wieder frei.

„Danke“, sagte der Kaltenbach.

„Ich kenne noch ein anderes Lied“, begann Marten.

„Nein, nein“, eilte sich der Kaltenbach zu sagen, „Du musst jetzt weiter. Wir sehen uns sowieso noch öfter.“

Marten wunderte sich.

„Hey, hast Du da Wasser vom Kaltenbach?“, fragte das Sommerfeld, als Marten es wieder vorsichtig und mit dem Hund auf dem Arm überquerte.

„Ja“, sagte Marten, „für das Mörchen.“

„Ich will auch Wasser vom Kaltenbach“, verlangte das Sommerfeld.

„Ich bring Dir welches“, versprach Marten, „aber vorher muss ich das Mörchen gießen.“

„Ich kann Dich auch einfach verschlingen“, erinnerte das Sommerfeld.

Eilig goss Marten das Sommerfeld, kehrte zum Kaltenbach zurück und bat um weiteres Wasser, welches ihm gewährt wurde, ohne dass er nochmal hätte singen müssen.

Er kehrte schließlich zum Mörchen zurück und goss es.

„Schööön“, seufzte das Mörchen begeistert. „Danke, dann mach es mal gut.“

„Aber warte“, rief Marten. „Wie komme ich denn jetzt zum Zauberer von Oswald?“

„Ich laufe schon nicht weg“, lachte das Mörchen. „Der Oswald liegt hinter dem Kaltenbach, einfach immer der Nase nach.“

Marten bedankte sich, überquerte ein weiteres Mal vorsichtig das Sommerfeld mit dem Hund auf dem Arm, fragte den Kaltenbach um die Erlaubnis, ihn überspringen zu dürfen und kam schon nach kurzer Zeit an einen Wald.

„Und jetzt?“, fragte Marten. „Ich sehe keinen Weg.“

Durstig stellte er fest, dass in seinem Wasserbeutel noch ein wenig Wasser übrig war. Er teilte es sich mit seinem Jack Russel Terrier.

Das Wasser war so klar und frisch, dass es müde Lebensgeister wieder weckte. Aber nicht nur das.

„Hörst Du das? Siehst Du das?“, fragte Marten seinen Hund. Auf einmal nahm er viel mehr wahr als eben noch. Seine Sinne waren um ein Vielfaches verschärft.

Und plötzlich sah er den Weg, der in den Wald führte. Ein hochfrequent vibrierendes ‚X‘ auf dem Boden kennzeichnete ihn ganz deutlich.

Marten hielt inne und fragte vorsichtig: „Weg, darf ich Dich betreten?“

Es raschelte im Gebüsch. Ein Eberle trat hervor und schüttelte sich. Amüsiert schaute er zu Marten hinüber.

„Wer bei Verstand spricht mit einem Weg?“, fragte er und verschwand im nächsten Gebüsch.

Marten betrat den Weg und folgte ihm eine lange Zeit, bis er an eine Lichtung kam.

Dort stand ein Mensch.

„Hi, ich bin Mark“, sagte Mark. Der Hund bellte Mark an, verstummte aber sofort bei dessen Blick.

„Hallo, ich bin Marten“, sagte Marten, „und ich suche den Zauberer von Oswald.“

„Du hast ihn gefunden“, entgegnete Mark. „Was kann ich für Dich tun?“

„Du?“, fragte Marten verwundert. „Aber Du siehst gar nicht aus wie ein Zauberer.“

„Du meinst, mit Robe und Zaubererhut und dem ganzen Kram?“ – „Ja.“

Mark winkte ab. „Nur auf Parties“, lachte er.

„Parties?“, fragte Marten verwundert.

Mark zuckte mit den Schultern. „Wenn Du nicht glaubst, dass es hier Parties gibt, warum bist Du dann hier?“

„Ich will ein Geschichtenerzähler werden“, eröffnete Marten seinen Wunsch und schaute verwundert, als der Zauberer vom Oswald plötzlich eine Kaffeetasse in der Hand hielt und daraus trank.

Der Zauberer deutete auf den Hund. „Und was kann der?“

„Das ist ein Jack Russel Terrier. Sein Name ist Hypnose. Er kann für Dich dein Ziel verfolgen, bis er es erreicht hat“, erklärte Marten.

Mark gähnte müde.

„Er kann aber auch noch andere Tricks“, beeilte sich Marten zu sagen und stockte plötzlich verwundet, als Mark hinter ihm an einem Baum hing.

„Du musst auch mal die Perspektive ändern können“, erklärte der Zauberer in einem fast gelangweilten Ton. „Manchmal steht die Welt Kopf, manchmal hängst Du auch nur verkehrt herum.“

Mark ließ sich fallen und kam auf den Füßen wieder zum Stehen. In einer Hand hielt er die Kaffeetasse, randvoll mit Kaffee.

Bevor Marten seine Verwunderung darüber äußern konnte, deutete der Zauberer vom Oswald auf zwei große Steine, die am Rande der Lichtung standen.

Er setzte sich auf einen und forderte: „Erzähl mir eine Geschichte!“

Marten starrte noch auf die zwei Steine. „Waren die eben auch schon hier?“

Mark schaute etwas entnervt. „Geschichten verändern die Realität. Wenn Du das nicht weißt, wie willst Du dann gute Geschichten erzählen?“

Ungeschickt kletterte Marten auf den anderen Stein und fing an, eine Geschichte zu erzählen.

Er erzählte die Geschichte von Marten, der sich auf die Suche machte nach dem Zauberer vom Oswald.

Als er fertig war, schaute er zu Mark rüber.

Der Zauberer lag gemütlich auf seinem Stein. Er hatte eine prächtige Robe an und einen großen Zaubererhut mit breiter Krempe auf dem Kopf, den er sich tiefer in die entspannte Gesicht zog. Als er merkte, dass die Geschichte zu Ende war, richtete er sich schnell auf und rieb sich die Augen.

„Ganz okay für einen blutigen Anfänger“, bewertete er die Geschichte. „Danke für den Kaffee.“

Marten schaute verwundert.

„Naja, in meiner Geschichte ist der nicht vorgekommen. Der kam von Dir.“

„Aber ich hab ihn doch schon gesehen, BEVOR ich die Geschichte …“

„Natürlich“, sagte der Zauberer kopfschüttelnd. „Du musst schon sehen, was Du erzählen willst. Ist doch klar!“

Marten war sprachlos. Hatte er sich die ganze Geschichte selber so ausgedacht? Genau so?

„Vielleicht gibt es Hoffnung für Dich“, sagte Mark. „Ein paar Bewohner der Gegend hast Du ja schon kennen gelernt. Auch wenn sie nicht erfreut sind, wenn man auf ihnen herum trampelt oder an ihren Haaren zieht. Die anderen sitzen sicher schon am Lagerfeuer und erschaffen neue Geschichten, um die Welt zu verändern. Sie sind auch Zauberer. Lass Dir von ihnen weiterhelfen. Ich komm dann später dazu.“

Er blinzelte. „Wenn die Party steigt.“

Dann tat sich ein Weg auf und die Geschichte ging einfach weiter und weiter, und wenn sie nicht gestorben sind, erzählen die Geschichtenerzähler immer noch die spannendsten Geschichten und feiern ihre Parties am Lagerfeuer.

Und der Zauberer vom Oswald sah, dass es gut war.

Ende.

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2 Kommentare

  1. […] sind unter anderem eine Ein-Satz-Mini-Geschichte und die besondere Kurzgeschichte „Der Zauberer von Oswald“, welche ich im Rahmen um die Storytelling-Community von Mark Oswald geschrieben […]

  2. Danke für die Insider Geschichte. Es hat Spaß gemacht, sie zu lesen.

    Du mußt schon sehen, was du erzählen willst. Das stimmt. Und danke für’s erinnern


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